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- Band XXII, XVII Waffenrecht
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Nr. 315 Unzuverlässigkeit aufgrund vermuteter Reichsbürgernähe
§ 5, 45 WaffG
1. Unabhängig davon, ob sich feststellen lässt, ob eine Person der Reichsbürgerbewegung zuzuordnen ist oder damit sympathisiert, ist entscheidend für die Einordnung als unzuverlässig im waffenrechtlichen Sinne, ob die Person ein Verhalten an den Tag legt, welches Anlass zu der Besorgnis gibt, dass sie die bestehende Rechtsordnung einschließlich der geltenden waffenrechtlichen Bestimmungen für sich nicht als verbindlich erachtet und nicht strikt befolgen wird.
2. Bestimmte Wesensmerkmale einer Person können die Befürchtung eines missbräuchlichen oder leichtfertigen Umgangs begründen, z.B. leichte Reizbarkeit, unbeherrschtes reagieren auf Provokationen, in Konfliktsituationen ein mangelndes Potenzial für gewaltfreie Konfliktlösungen zu zeigen.
VG Düsseldorf, Urteil vom 1.2.2023 – Az. 22 K 5756/21
Tatbestand:
Dem 1972 geborenen Kläger wurde 2017 als Sportschützen die Waffenbesitzkarte 44456/01 und 2018 eine weitere Standard-Waffenbesitzkarte erteilt.
Im Mai 2021 erhielt die zuständige Waffenbehörde Kenntnis von einer Anzeige gegen den Kläger wegen eines Vorfalls am 14. Mai 2021. Der Kläger habe als Unbeteiligter zweifach Polizeibeamten beleidigt als diese einem jugendlichen Dieb auf dem Fahrrad nacheilten. Eine Beamtin habe der Kläger mit „Sie sind doch bescheuert, ein Kind so zu verfolgen!“ und einen anderen mit „Sie sind bekloppt?“ angesprochen. Er habe sich bei der späteren Personalienfeststellung unkooperativ verhalten und „Amtsausweise“ der Beamten zu sehen verlangt sowie behauptet, dass die Polizeibeamten bei einem „Verein“ bzw. einer „Firma“ eingestellt seien. Im Weiteren habe er den eingesetzten Beamten ihre Legitimation abgesprochen. Die Polizei – Kriminalkommissariat 2 Staatsschutz – gehe davon aus, dass Anhaltspunkte dafür vorlägen, dass der Kläger der Reichsbürgerbewegung nahe stehe.
Mit Schreiben vom 24. Juni 2021 gab das beklagte Land dem Kläger Gelegenheit, zur Stellungnahme zum beabsichtigten Widerruf seiner Waffenbesitzkarten und der Aufforderung, seine dort eingetragenen Waffen an einen Berechtigten zu übergeben oder zu vernichten.
Der Kläger nahm unter dem 19. Juli 2021 Stellung. Die Polizeibeamten seien an diesem Tag nicht zimperlich mit ihm umgegangen. U.a. verwies er auf den Runderlass des Innenministeriums des Landes Nordrhein-Westfalen 43.157.02.09 vom 12. April 2010, wonach in 2.5.1 stehe: ,,Polizeivollzugsbeamte haben den Polizeidienstausweis bei Amtshandlungen auf Verlangen vorzuzeigen …“. Die hartnäckige und wiederholte Nachfrage nach einem Dienstausweis sei eine milde Form des zivilen Ungehorsams gewesen. Da fast täglich vor ,,falschen Polizisten“ gewarnt und zu gesundem Misstrauen geraten werde, sei auch die Bitte um die Vorlage des Dienstausweises verständlich. Die Äußerung, dass die Polizeibeamten bei einem „Verein“ bzw. einer „Firma“ angestellt seien, resultierten aus einem fehlenden Fingerspitzengefühl und hätten klüger gewählt werden können.
Durch Ordnungsverfügung vom 22. Juli 2021 widerrief das beklagte Land, unter 1. die dem Kläger erteilen Waffenbesitzkarten. Unter 2. forderte es den Kläger auf, die dort eingetragenen vier Waffen binnen eines Monats nach Zustellung der Widerrufsverfügung dauerhaft unbrauchbar zu machen oder einem Berechtigten zu überlassen und dies nachzuweisen. Unter Ziffer 3 ordnete es die sofortige Vollziehbarkeit der Ziffer 2 des Bescheides an. Dem Kläger fehle als Reichsbürger nach § 5 Abs. 1 Nr. 2 b) WaffG die erforderliche Zuverlässigkeit und nach § 6 WaffG die persönliche Eignung. Es stützte sich auf die am 14. Mai 2021 durch den Kläger gegenüber zwei Polizeibeamten erfolgten Beleidigungen. Eine Beamtin habe der Kläger mit „Sie sind doch bescheuert, ein Kind so zu verfolgen!“,, und einen anderen mit „Sie sind bekloppt?“ angesprochen. Während des gesamten Polizeieinsatzes habe er sich unkooperativ verhalten und immer wieder „Amtsausweise“ der Beamten zu sehen verlangt sowie behauptet, dass die Polizeibeamten bei einem „Verein“ bzw. einer „Firma“ eingestellt seien. Im Weiteren habe er die eingesetzten Beamten gefragt, ob diese eine Legitimation hätten, um Maßnahmen zu treffen. Die Farbe der Uniform sei zudem falsch. Die Prognose gehe zu Lasten des Klägers, weil sein gezeigtes Verhalten und gegenüber den eingesetzten Polizeibeamten gemachten Aussagen Anhaltspunkte böten, dass die Existenz der Bundesrepublik Deutschland geleugnet und .die Geltung des Grundgesetzes und der Gesetze sowie die Legitimität staatlicher Institutionen und ihrer Repräsentanten negiert würden.