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  2. Band XXII, VI Jagdbeschränkung - Abschussregelung
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  4. Nr. 88 Abschussplanung und Tierschutz:...

Nr. 88 Abschussplanung und Tierschutz: Totalabschuss von Muffelwild

§ 21 Abs. 1 S. 1 BJagdG; § 1 Satz 2 TierSchG

1. Sowohl der Tierschutz als auch das Recht der Jagdausübung sind verfassungsmäßig gleichsam geschützt. Dem Tierschutz wird durch die weidgerechte Jagdausübung Genüge getan. Zu den Belangen von Verfassungsrang, die den grundsätzlichen Schutz des Lebens von Tieren relativieren oder beseitigen können, sind von jeher die Ziele des Jagdrechts anerkannt.
2. Es bedarf im Rahmen einer Abschußplanung keiner weitergehenden Abwägung, ob die Tötung des betroffenen Wildes vernünftig i.S.d. TierschtzG ist.
3. Auf das fehlende Einvernehmen des Jagdbeirates kann sich die betroffene Behörde nicht berufen, da ihre eigenen Rechte nicht betroffen sind.
4. Die Eliminierung eines örtlichen Vorkommens einer Wildart widerspricht nicht dem Tierschutzgedanken des § 20a GG, da es nicht um die Ausrottung der gesamten Art geht.
5. Der Waldeigentümer kann sich im Rahmen der Abschussplanung darauf berufen, dass es einen Vorrang der waldbaulichen vor den jagdlichen Interessen gibt, der sich insbesondere durch die überragende Bedeutung des Waldes für das Klima, den Wasserhaushalt, die Sauerstoffproduktion, die Nährstoffspeicherung und die biologische Vielfalt gerechtfertigt.

BVerwG Beschluss vom 15.04.2021, Az. 3 B 9.20

Gründe

1.

Die Klägerin wendet sich gegen die Ablehnung des vollständigen Abschusses einer Muffelwildherde im Abschussplan vom 30. Juli 2012 (Jagdjahr 2012 / 13 ).

Eine in den 1960er Jahren im Teutoburger Wald angesiedelte Muffelwildherde von etwa einem Dutzend Tieren durchstreift einen etwa 550 ha großen Waldbereich, in dem auch der Eigenjagdbezirk der Klägerin liegt. Ihn hat die Klägerin seit dem Jagdjahr 2013 / 14 unentgeltlich an einen privaten Jäger vergeben. Die Klägerin beklagt seit langem, dass die Herde in ihrem Wald erhebliche Schäl-, Ramm- und Verbissschäden anrichte und sie dadurch finanzielle Einbußen erleide. Nachdem Bemühungen erfolglos geblieben waren, das Muffelwildgebiet zum Freigebiet im Sinne von § 5 der Verordnung über Bewirtschaftungsbezirke für Rotwild, Sikawild, Damwild und Muffelwild vom 28. September 1994 ( GV. NW. S. 858 ) zu erklären, beantragte die Klägerin, im Abschussplan für das Jagdjahr 2011 / 12 den Totalabschuss von Muffelwild vorzusehen. Die Beklagte setzte den Abschuss jedoch mit Bescheid vom 21. Juli 2011 auf nur ein Lamm und mit dem streitgegenständlichen Bescheid vom 30. Juli 2012 für das Jagdjahr 2012 / 13 auf nur einen Widder fest. Der auf Neubescheidung gerichteten Klage hat das Verwaltungsgericht stattgegeben. Die Berufung der Beklagten hat das Oberverwaltungsgericht mit der Maßgabe zurückgewiesen, dass festgestellt wird, dass der Abschussplan Muffelwild 2012 / 13 rechtswidrig und die Beklagte verpflichtet war, über den Antrag der Klägerin erneut unter Beachtung der Rechtsauffassung des Gerichts zu entscheiden. Das bisher verfolgte Bescheidungsbegehren sei nach Ablauf des Jagdjahres zwar erledigt, die Klägerin dürfe aber auf Fortsetzungsfeststellung übergehen, um einer Wiederholung der im Abschussplan vom 30. Juli 2012 rechtswidrigen Verweigerung des Totalabschusses zu begegnen. Die Fortsetzungsfeststellungsklage sei auch begründet. Der Abschussplan vom 30. Juli 2012 sei rechtswidrig gewesen. Dies folge daraus, dass die Entscheidung über einen Abschussplan eine Abwägung aller in § 21 Abs. 1 Satz 1 BJagdG genannten Belange mit dem Ziel eines Ausgleichs der gegenläufigen Interessen erfordere. Dabei komme den waldbaulichen und forstwirtschaftlichen Belangen ein Vorrang zu, sofern es sich um eine ordnungsgemäße Forstwirtschaft handele. Dem stehe der in Art. 20a GG verankerte Tierschutz nicht entgegen. Der Vorrang gelte aber nicht uneingeschränkt. Wildschäden müssten in gewissem Umfang hingenommen werden. Im Falle der Klägerin sei das hinzunehmende Maß im Jagdjahr 2012 / 13 aber überschritten gewesen. Das vom Sachverständigen in der mündlichen Verhandlung erläuterte Gutachten habe ergeben, dass die Muffelwildherde im Forst der Klägerin übermäßige Schäden verursacht habe. Die Einwände der Beklagten gegen das Sachverständigengutachten überzeugten nicht. Die Festsetzung eines Totalabschusses wäre auch verhältnismäßig gewesen. Mildere Maßnahmen zur Eindämmung der Wildschäden seien nicht erkennbar gewesen. Den durch Art. 14 GG geschützten Belangen der Klägerin habe im Verhältnis zur Gesamtpopulation in Deutschland ( 10 000 Tiere) nur eine relativ kleine Anzahl von Tieren gegenübergestanden. Muffelwild wäre durch den Abschuss nicht aus seinem natürlichen Lebensraum entfernt worden. Es gehe nicht um die Ausrottung einer Art, für die allein in Nordrhein-Westfalen 23 weitere Bewirtschaftungsbezirke festgelegt seien, sondern nur um den Abschuss einer Herde.

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