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  2. Band XXI, VI Jagdbeschränkung - Abschussregelung
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Nr. 85 Abschussbeschränkungen im Lichte der Eigentumsgarantie

§§ 2 und 3 HJagdV, Art. 45 Hessische Verfassung; Art. 14 GG

1. Bei der Bestimmung von Inhalt und Grenzen des durch Art. 45 der Hessischen Verfassung – HV – geschützten Eigentums muss der Normgeber die schutzwürdigen Interessen des Eigentümers und die Belange des Gemeinwohls in einen gerechten Ausgleich und in ein ausgewogenes Verhältnis bringen. Hierbei steht ihm ein Beurteilungsund Gestaltungsspielraum zu, der umso größer ist, je stärker das Eigentumsobjekt einen sozialen Bezug aufweist. Er muss sich aber im Einklang mit allen anderen Verfassungsnormen halten; insbesondere ist er an den verfassungsrechtlichen Grundsatz der Verhältnismäßigkeit gebunden. Das Wohl der Allgemeinheit ist hierbei nicht nur Grund, sondern auch Grenze für die dem Eigentum aufzuerlegenden Belastungen.

2. Sowohl das Jagd- als auch das Jagdausübungsrecht unterfallen dem Schutz der Eigentumsgarantie des Art. 45 HV. Die in § 2 und § 3 HJagdV getroffenen Jagdzeitbestimmungen stellen Inhalts- und Grenzbestimmungen des Eigentums im Sinne des Art. 45 Abs. 1 Satz 2 HV dar, die den dargestellten verfassungsrechtlichen Anforderungen genügen müssen.

3. Der aus dem Rechtsstaatsprinzip – das als ungeschriebener Grundsatz der Gesamtkonzeption der Hessischen Verfassung zugrunde liegt – und dem Demokratieprinzip abgeleitete Vorbehalt des Gesetzes verpflichtet den Gesetzgeber, alle grundlegenden normativen Entscheidungen selbst zu treffen. Wesentliche Entscheidungen dürfen – dem Grundsatz der Gewaltenteilung folgend – nicht auf den Verordnungsgeber delegiert werden.

4. In Hessen richten sich der Umfang, in dem Kompetenzen der Rechtsetzung auf die Exekutive übertragen werden dürfen, ebenso wie die Anforderungen, die an die Detailliertheit der Vorgaben des Gesetzgebers in der Verordnungsermächtigung gestellt werden müssen, im Übrigen nach Art. 107 und Art. 118 HV. Art. 118 HV verlangt, dass die Bestimmtheit der Ermächtigungsnorm der Grundrechtsrelevanz der Regelung entspricht, zu der ermächtigt wird. Es genügt jedoch, dass sich die geforderte Bestimmtheit nach den allgemein gültigen Auslegungsmethoden ermitteln lässt.

5. Aus dem der Hessischen Verfassung innewohnenden Rechtsstaatsprinzip folgt keine generelle Begründungspflicht des Normgebers beim Erlass von formellen Gesetzen und beim Erlass von Rechtsverordnungen. Die Kontrolle der materiellen Verfassungsmäßigkeit solcher Regelungen ist zunächst Ergebniskontrolle. Die Einbeziehung des zu diesem Ergebnis führenden Erkenntnis- und Abwägungsprozesses in die verfassungsgerichtliche Überprüfung kommt allenfalls im Ausnahmefall und nur dann in Betracht, wenn anders eine verfassungsrechtliche Bewertung der zu überprüfenden Norm mangels entsprechend konkreter materieller Maßstäbe nicht möglich ist und die so eingeschränkte Kontrolle des gesetzgeberischen Tätigwerdens der Bedeutung des Grundrechts oder des konkret betroffenen Sachverhalts nicht gerecht zu werden vermag.

6. Das Eigentumsgrundrecht in Verbindung mit dem Grundsatz der Verhältnismäßigkeit bietet ausreichende materielle Maßstäbe für die Prüfung der Verfassungsmäßigkeit der durch den Verordnungsgeber bestimmten Jagd- und Schonzeiten. Zur Gewährleistung effektiven Grundrechtsschutzes bedarf es keiner darüber hinausgehenden Prozeduralisierungsanforderungen im Normsetzungsverfahren.
(amtliche Leitsätze)

Hessischer Staatsgerichtshof, Urteil vom 12.2.2020, Az. – P.St. 2610 

Urteil

1. 

§ 2 der Hessischen Jagdverordnung – HJagdV – in der Fassung des Artikels 1 der Verordnung zur Zusammenfassung und Änderung jagdrechtlicher Verordnungen vom 10. Dezember 2015 (GVBl. 2015,S. 670) ist mit der Verfassung des Landes Hessen insoweit nicht vereinbar, als er die Jagdzeit für juvenile Waschbären und juvenile Marderhunde nicht auf das gesamte Jahr erstreckt. Im Übrigen ist die Vorschrift mit der Verfassung des Landes Hessen vereinbar.

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