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Nr. 163 Ausnahmegenehmigung zum Abschuss von Wölfen

§ 1 Abs. 1 S. 1 Nr. 5 UmwRG; §§ 44; 45 Abs. 7 S. 1; 45a Abs. 2 S. 1 BNatSchG

1. Der weite Auffangtatbestand des § 1 Abs. 1 S. 1 Nr. 5 UmwRG erfasst sämtliche Zulassungsentscheidungen, auf die umweltbezogene Rechtsvorschriften anzuwenden sind und die nicht bereits von den Nrn. 1 bis 2b der Regelung erfasst sind. Darunter fällt auch eine Ausnahmegenehmigung gemäß § 45 Abs. 7 S. 1 BNatSchG von den artenschutzrechtlichen Verboten des § 44 BNatSchG.

2. Ein Antrag gemäß § 80 Abs. 5 VwGO auf Wiederherstellung der aufschiebenden Wirkung der Klage, der unzulässig ist, kann in einen zulässigen Antrag auf Wiederherstellung der aufschiebenden Wirkung des Widerspruchs umgedeutet werden.

3. Stellt ein Dritter beim Verwaltungsgericht einen Antrag nach § 80 Abs. 5 VwGO, bedarf es keines vorherigen Aussetzungsantrags bei der Behörde gemäß § 80a Abs. 3 S. 2 i. V. m. § 80 Abs. 6 S. 1 VwGO, wenn die Behörde die sofortige Vollziehung des Verwaltungsaktes gemäß § 80 Abs. 2 S. 1 Nr. 4 VwGO besonders angeordnet hat.

4. Eine von der Behörde verfügte befristete Aussetzung der Vollziehung des Verwaltungsaktes lässt das Rechtsschutzbedürfnis für einen Antrag nach § 80 Abs. 5 VwGO nur dann entfallen, wenn die Befristung im Zeitpunkt der Entscheidung des Gerichts noch nicht abgelaufen ist.

5. Zu den Voraussetzungen, unter denen gemäß § 45 Abs. 7 S. 1
Nr. 1 BNatSchG nach Schafsrissen eine Ausnahmegenehmigung zur Tötung eines Wolfs erteilt werden kann.

6. Ein potentielles FFH-Gebiet, das ein Habitat einer prioritären Art ist und von dem Mitgliedstaat anhand der in Anhang III der FFH-Richtlinie aufgeführten Kriterien der Kommission hätte gemeldet werden müssen, aber nicht gemeldet worden ist, unterliegt jedenfalls keinem weitergehenden Schutz als ein Gebiet, das der Kommission bereits gemäß Art. 4 Abs. 1 der FFH-Richtlinie gemeldet worden, aber noch nicht in die Liste der Gebiete von gemeinschaftlicher Bedeutung aufgenommen worden ist.

7. § 45a Abs. 2 S. 1 BNatSchG erlaubt den Abschuss von einzelnen Mitgliedern eines Wolfsrudels ohne Zuordnung der durch Nutztierrisse verursachten Schäden zu einem bestimmten Einzeltier nur in einem engen räumlichen und zeitlichen Zusammenhang mit bereits eingetretenen Rissereignissen. Dadurch soll gewährleistet werden, dass, wenn nicht mit absoluter Sicherheit, so doch zumindest mit hoher Wahrscheinlichkeit derjenige Wolf getötet wird, der für die Nutztier­risse auch verantwortlich ist. Entsprechend ist es Aufgabe der zuständigen Behörde, in der Ausnahmegenehmigung sowohl den zeitlichen als auch den räumlichen Zusammenhang so zu bestimmen, dass eine entsprechende Prognose fachlich gerechtfertigt ist.

OVG Niedersachsen, Beschluss vom 26.06.2020, Az. 4 ME 97/20

Gründe

I.

Die Antragstellerin, eine anerkannte Umweltschutzvereinigung, wendet sich gegen eine Ausnahmegenehmigung zur Tötung von Wölfen.

Der Beigeladene ist Inhaber eines Schafhaltungsbetriebs mit über 1.000 Tieren. Nachdem es in seinen Herden bereits in der Zeit zwischen Juli 2017 bis Ende 2019 zu mehreren Schafsrissen gekommen war, fanden im ersten Quartal 2020 weitere 15 Rissereignisse statt, wobei allein bei einem Vorfall am 19. März 2020 32 Schafe getötet oder verletzt wurden. Bei diesem Vorfall konnte ebenso wie bei drei vorangegangenen Schafsrissen im März 2020 eine Beteiligung des Wolfsrüden GW1027m aus dem Rudel D. nachgewiesen werden. Bei zwei weiteren Schafsrissen im März 2020 sowie einem weiteren im August 2017 konnte eine Beteiligung der Wölfin (Fähe) GW242f aus dem Rudel E. nachgewiesen werden.

Aufgrund dessen erteilte der Antragsgegner dem Beigeladenen auf Antrag mit dem für sofort vollziehbar erklärten Bescheid vom 4. April 2020 eine Ausnahmegenehmigung für die zielgerichtete letale Entnahme (Tötung) dieser beiden Wolfstiere, die räumlich auf die Gebiete der Gemeinden F., G. und H. beschränkt und bis zum 30. Juni 2020 befristet wurde. Hinsichtlich der Fähe ordnete er die Aussetzung der Vollziehung vom 15. April bis zum 15. Mai 2020 an und regelte zusätzlich mit ergänzendem Bescheid vom 8. April 2020, dass die Entnahme einer laktierenden (säugenden) Fähe auszuschließen sei. Ferner regelte der Antragsgegner unter den Ziffern 3. und 4. des Bescheides vom 4. April 2020 die Nebenbestimmungen, dass, solange die beiden Wolfsindividuen in der Landschaft nicht anhand besonderer, leicht erkennbarer äußerer Merkmale identifiziert werden könnten, eine Identifizierung auch über den engen räumlichen und zeitlichen Zusammenhang in Anknüpfung an die den Individuen jeweils zugeordneten Rissereignisse erfolgen könne. Eine Entnahme sei dann zu begrenzen auf das Gebiet der Gemeinden F., G. und H. im unmittelbaren räumlichen Bezug zu den dortigen Schafhaltungen, der in einem Radius von 500 m um die Schafhaltung gegeben sei.

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