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Nr. 162 Zur Herrenlosigkeit von Wildtieren; Duldung der Auswilderung von Wisenten

§§ 960 Abs. 2, 1004 Abs. 2 BGB; § 65 Abs. 1 Satz 1 BNatSchG

1. Solange der Besitzer eines im Rahmen eines Auswilderungsprogramms freigesetzten Tieres (hier: Wisent) dessen Verbleib mit dem Ziel beobachtet und überwacht, seinen – wenn auch gelockerten – Besitz zu erhalten, und ihm das Einfangen möglich wäre, hat das Tier nicht im Sinne von § 960 Abs. 2 BGB die Freiheit wiedererlangt; es wird (noch) nicht herrenlos, solange die Entscheidung darüber vorbereitet wird, ob das Tier die Freiheit wiedererlangen soll.

2. Führt ein privater Träger eine Maßnahme des Vertragsnaturschutzes (hier: Wiederansiedlung von Wisenten) in eigener Verantwortung, aber auf der Grundlage eines hinreichend konkreten staatlichen Regelungskonzepts durch, können private Grundstückseigentümer gemäß § 65 Abs. 1 Satz 1 BNatSchG zur Duldung der Maßnahme verpflichtet sein.

(amtlicher Leitsatz)

BGH Urteil vom 19.7.2019, Az. V ZR 177/17

Tatbestand

Der Beklagte (im Folgenden Verein) ist ein gemeinnütziger Verein, dessen Satzungszweck in der »Wiederansiedlungund Erhaltung des Wisents im Rothaargebirge« besteht. Er wurde im Nachgang zu der am 25. Juni 2008 erfolgten Unterzeichnung eines öffentlich-rechtlichen Vertrags »Wisente im Rothaar-
ge­birge« gegründet. Auf der Grundlage dieses Vertrags begann der Verein im Jahr 2010 mit der Ansiedlung von acht Wisenten in einem abgesperrten Gebiet, das zuletzt die Größe von ca. 88 ha aufwies. Am 8. April 2013 schloss der Verein mit dem örtlichen Landkreis, der Bezirksregierung Arnsberg, dem Landesbetrieb Wald und Holz sowie dem Eigentümer des für das Vorhaben ausgewählten Pro­jektgebiets einen weiteren öffentlich-rechtlichen Vertrag über die Freisetzung von Wisenten, der den Vertrag vom 25. Juni 2008 mit Zustimmung des nordrheinwestfälischen Ministeriums für Umwelt, Landwirtschaft, Natur- und Verbraucherschutz ablöste. Ziel des Vertrags ist der Präambel zufolge die dauerhafte Etablierung einer frei lebenden Wisentpopulation von maximal 25 Tieren im Rothaargebirge.

Geregelt wird in dem Vertrag vom 8. April 2013 die auf mehrere Jahre an­ gelegte und von einer Koordinierungsgruppe unter Vorsitz des örtlichen Landrats begleitete »Freisetzungsphase«, in der der Verein Eigentümer der Wisente bleibt; die Tiere sollen erst im Anschluss an die Freisetzungsphase nach Abschluss eines weiteren öffentlich-rechtlichen Vertrages herrenlos werden. Der Vertrag ersetzt sämtliche in der Freisetzungsphase erforderlichen Genehmigungen unter Ausnahme der (in diesem Stadium nicht als erforderlich angesehenen) jagdrechtlichen Genehmigung für die Aussetzung von fremden Tierarten und von Scha­lenwild in der freien Wildbahn (§ 28 Abs. 3 BJagdG, § 31 LJagdG NW).

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