1. /
  2. Band XXII, X Ordnungswidrigkeiten und Straftaten
  3. /
  4. Nr. 129 Erlegung eines Wolfes...

Nr. 129 Erlegung eines Wolfes in einer Notstandssituation

§ 69 Abs. 2 Nr. I b), 71 Abs. I Nr. 269 Abs. 2 Nr. 1 b), 71 Abs.4 BNatSchG; § 16 StGB

Bei einem Angriff eines streng geschützten Tieres, hier eines Wolfes auf Jagdhunde ist eine Rechtsgüterabwägung vorzunehmen. Hierbei ist zu beachten, ob durch die Tötung der Bestand der geschützten Art bereits gefährdet ist, aber auch, ob durch den Einsatz der Jagdhunde die Gefahr einer Tötung in Kauf genommen wird.

LG Potsdam, Urteil vom 21. 2. 2023 – Az. 26 Ns 59/21

Gründe:

I.

Die Staatsanwaltschaft wirft dem Angeklagten mit Anklageschrift vom 16.01.2020 vor, am 18.01.2019 auf einem Feld im Waldgebiet im Zuge einer dort durchgeführten Drückjagd vorsätzlich einen Wolf erschossen zu haben.

Das Amtsgericht hat mit dem angefochtenen Urteil den Angeklagten freigesprochen, weil es die Tat für gerechtfertigt erachtet hat.

Die dagegen gerichtete zulässige Berufung der Staatsanwaltschaft bleibt ohne Erfolg.

 

 

II.

I.

Der dreiundsiebzigjährige Angeklagte ist niederländischer Staatsangehöriger. Er ist verheiratet. Er war selbständiger Unternehmer, hat sich aber bereits vor einiger Zeit zur Ruhe gesetzt. Aus dem Familienunternehmen, das er seinem Sohn übertragen hat, erhielt er eine monatliche Zuwendung von 6.000,00 EUR.

Der Angeklagte ist seit über fünfzig Jahren Jager und seit vielen Jahren Eigentümer eines eigenen Jagdhundes.

Strafrechtlich ist er in Deutschland bisher nicht in Erscheinung getreten.

 

2.

  1. Tatvorgeschichte

Ende Januar 2018 kam es in Nordsachsen – einem Wolfsgebiet – zu einem Totfund eines vorher bei der Jagd vermisst gegangenen Jagdhundes, bei dem ausweislich entsprechender Pressemitteilung z.B. in der Süddeutschen Zeitung vom 23.02.2018, durch genetische Analysen bestätigt werden konnte, dass das Tier einem Angriff durch einen Wolf zum Opfer gefallen war.

In dem im Frühjahr 2018 veröffentlichten und auch heute noch auf der Internetseite des Deutscher Jagdverband e.V. – dem mit Abstand größten Jagdverband in Deutschland – eingestellten,, Leitfadens des DJV (=)für Jagdleiter und Hundeführer für die Hundearbeit im Wolfsgebiet“ heil3t es wörtlich: ,,Doch gerade im Wolfsgebiet setzten Hundeführer ihre fleißigen Helfer einer weiteren Gefahr aus. In Schweden werden alljährlich zahlreiche Hunde im jagdlichen Einsatz van Wolfen verletzt oder getötet. “ und unter Praxistipps heißt es

,,Jagdleiter gibt Hinweis, dass die Jagd in einem Wolfsgebiet stattfindet“ und ,,In der Paarungszeit der Wolfe (Januar März) Hunde im Wolfsgebiet nicht frei laufen lassen.“ Letztere Formulierung findet ihre Begründung darin, dass sich Wölfe in der Paarungszeit aggressiv gegenüber Artgenossen, aber auch gegenüber anderen Vertretern der Familie der Canidea, also z.B. Hunden, verhalten.

Am Freitag, den 19.01.2029 veranstaltete der inzwischen verstorbene Jagdpächter als Jagdleiter eine Drückjagd in dem von ihm gepachteten Jagdrevier. In diesem Gebiet war es schon vorher mehrfach zu Wolfssichtungen gekommen. Als Drückjagd bezeichnet man eine Form der Treibjagd, bei der Wild von Treibern, und regelmäßig auch Jagdhunden, durch Lärm und die Anwesenheit der Jagdhunde veranlasst wird, diesen auszuweichen und sich langsam in Richtung der vorher aufgestellten Jager zu bewegen.

Hier geht es zum Shop
Kontaktieren Sie uns!